Abrissgebäude und Co.: Immer wieder Unfälle bei realitätsnahen Einsatzübungen

03.03.2025

Jetzt wo es draußen länger hell ist, rückt das praktische Üben in den Feuerwehren wieder in den Vordergrund. Denn um sicher im Einsatz vorgehen zu können, ist es notwendig, sich durch Übungen vorzubereiten. Allerdings kommt es bei realitätsnahen Ausbildungen und Übungen immer wieder zu Unfällen, sodass wir in diesem Artikel Hinweise zur sicheren Realausbildung geben wollen.

Feuerwehrübung an einem Abrissgebäude (Bild: Christian Heinz / HFUK Nord)zoom
Feuerwehrübung an einem Abrissgebäude (Bild: Christian Heinz / HFUK Nord)

Jetzt wo es draußen länger hell ist, rückt das praktische Üben in den Feuerwehren wieder in den Vordergrund. Denn um sicher im Einsatz vorgehen zu können, ist es notwendig, sich durch Übungen vorzubereiten. Allerdings kommt es bei realitätsnahen Ausbildungen und Übungen immer wieder zu Unfällen, sodass wir in diesem Artikel Hinweise zur sicheren Realausbildung geben wollen.

Brandübungsanlagen
Verbrühungen, Rauchgasinhalationen, Bewusstlosigkeit, abgetrennte Finger sowie Verletzungen durch Stolper-, Sturz- und Rutschunfälle sind einige Ergebnisse realitätsnaher Übungen. Etliche Unfälle geschahen hierbei in feststoffbefeuerten Brandübungsanlagen. Die Anlagen bieten die Möglichkeit für Einsatzkräfte, Temperatur und Rauch hautnah zu erleben. Vergessen werden darf hierbei jedoch nicht, dass es auch echtes Feuer mit echter Hitze und echtem Rauch ist. So hat die Temperatur einen großen Einfluss auf die Schutzkleidung und die darunter befindliche Person. 

Die Unfallermittlungen zu den Unfällen haben ergeben, dass die Temperaturen während der Übung in den Brandübungsanlagen teilweise extrem hoch waren. Aus einer Mischung von falsch verstandenem Ausbildungsansatz, Übereifer und Ehrgeiz heraus versuchten Anlagenbedienende und Teilnehmende möglichst hohen Temperaturen standzuhalten. So wurden teilweise Temperaturen über 700° Celsius gefahren. Die Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) geben hier jedoch eindeutig an, dass die PSA bei Beaufschlagung von Temperaturen über 300 – 400°C thermisch so belastet wurde, dass sie auszusondern ist.

Strahlrohreinsatz in einer Brandübungsanlage unter der Einwirkung von Flammen und großer Wärme (Bild: Dirk Rixen / HFUK Nord)zoom
Strahlrohreinsatz in einer Brandübungsanlage unter der Einwirkung von Flammen und großer Wärme (Bild: Dirk Rixen / HFUK Nord)

Schaut man in die Normen für Feuerwehrschutzkleidung, so wird man feststellen, dass die PSA nicht dafür ausgelegt ist, sich über einen längeren Zeitraum unter extremer Hitze aufzuhalten, sondern die hohe Hitzebeständigkeit lediglich eine Flucht aus dem Gefahrenbereich ermöglichen soll. Die PSA wird somit bei solchen extrem heißen Übungen trotz Schutzmaßnahmen wie Ponchos und Helmüberziehern, zerstört und die Hitze schlägt irgendwann durch, was zu Verbrühungen der Haut führt. Aus Sicht der Unfallprävention sind extreme Temperaturen daher zu vermeiden. Sollten doch sehr kurzzeitig solch hohe Temperaturen entstehen, muss z.B. durch Lüftungsmaßnahmen die Temperatur schnell wieder gesenkt werden. 

Nutzung von Abrissgebäuden
Gelegentlich haben Feuerwehren die Möglichkeit, vor der endgültigen Zerstörung Abrissgebäude für Übungen nutzen zu können. Für die Feuerwehr eine vorteilhafte Gelegenheit, mit Wasser am Strahlrohr im Gebäude zu üben, ohne befürchten zu müssen, Schaden anzurichten. Aus Ausbildungssicht sind solche Bedingungen ideal. Allerdings gibt es auch hier Punkte zur Sicherheit zu beachten. Gerade in Abrissgebäuden fehlen möglicherweise Teile der Einrichtung wie z.B. Geländer. Übt man dann mit Nebel oder verdeckten Atemschutzmasken, besteht die Gefahr eines Absturzes. Ebenso ist im Vorwege zu klären, ob die Elektrik noch funktioniert. Sollte das Haus noch mit Strom versorgt werden, können offene Kabelenden zu erheblichen Gefährdungen führen. 

Je nachdem, wie der Zustand des Gebäudes ist, gibt es möglicherweise auch erhebliche Stolper-, Sturz- und Rutschgefahren. Vor Beginn der Nutzung des Abrissgebäudes sollte das Gebäude daher im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung begangen und auf Gefahrenstellen hin betrachtet werden. Unter Umständen müssen Gebäudeteile, die besonders gefährlich sind, und bei denen möglicherweise auch Einsturzgefahr besteht, gesperrt werden. 

Besondere Gefahren entstehen dann, wenn im Abrissgebäude mit realem Feuer gearbeitet wird. Das Internet ist voll mit Beispielen, bei denen die Übungen aus dem Ruder gelaufen sind. Neben den schon genannten Gefährdungen wie Absturz oder Stolper-, Sturz- und Rutschunfällen kommt das Feuer mit Hitze und Rauch als Gefährdung hinzu. 

Arbeitshilfen für die sichere Übungsplanung
Eine sehr gute Möglichkeit zur Beurteilung von Übungsobjekten bzw. generell von Übungen kann hier die Online-Gefährdungsbeurteilung „Riskoo“ der Kooperationsgemeinschaft der Feuerwehr-Unfallkassen sein. Das Programm weist neben den möglichen Gefährdungen auch auf weitere wichtige Punkte wie z.B. das Einholen von Genehmigungen hin. 

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Ein weiteres grundsätzliches Hilfsmittelt ist die „10er Regel für die Realbrandausbildung“. Diese wurde aufgrund der Vielzahl und zum Teil sogar tödlicher Unfällen bei der Realbrandausbildung entwickelt. Sie beinhaltet folgende Punkte: 

10er Regel für Realbrandausbildung: 

  1. Klare Übungsziele definieren 
  2. Melde- und Informationspflicht für alle Beteiligten 
  3. Übungsverantwortlicher (mindestens Gruppenführerqualifikation) muss benannt werden
  4. Verantwortliche Kontrollfunktion mit Eingriffsrecht festlegen 
  5. Freie Flucht- und Rettungswege schaffen 
  6. Sicherheits- und Rettungseinrichtungen schaffen 
  7. Festlegen der Kommunikationswege 
  8. Keine Brandbeschleuniger verwenden, Pyrotechnik nur durch qualifiziertes Personal einsetzen
  9. Keine Verletztendarsteller einsetzen 
  10. Keine realitätsfremden Übungsbedingungen schaffen

Übungen mit realen Personen als Darsteller
Gerne werden bei Übungen menschliche Darstellende anstelle von Dummys eingesetzt.

Eine der häufigsten Übungen, bei denen Menschen oder Puppen eingesetzt werden, sind Übungen mit Leitern und Tragen, sei es mit der Krankentragenhalterung auf einer Drehleiter oder beim Beüben des Leiterhebels oder der schiefen Ebene. Bei diesen Übungen werden Menschen oder Dummys auf die Tragen geschnallt. Solange alles gut geht, ist auch alles in Ordnung. Aber was, wenn die Übung schief geht und die Trage herunterfällt? Schwere Schäden oder, je nach Szenario und Fallhöhe, sogar tödliche Unfälle sind möglich. 

Ebenso werden Personen auch bei der Realbrandausbildung mit richtigem Rauch oder bei Übungen mit künstlichem Nebel eingesetzt. Hier besteht die Gefahr der Rauchgasinhalation. Auch bei Übungsnebel kann es bei starkem Einsatz von Nebel zu Atemwegsreizungen kommen. Zusätzlich kann den Darstellenden der Fluchtweg durch den Rauch oder Nebel erschwert werden. 

Stellen wir die Vor- und Nachteile einmal gegenüber: 

Vorteil Übung mit Menschen
Der größte Vorteil ist, dass man eine realistische Interaktion hat und ein Feedback in Echtzeit erhält. Ein Darsteller oder eine Darstellerin kann antworten, menschliche Reaktionen darstellen (spielen) und auch eine Rückmeldung geben, wie es ihm oder ihr grad geht. Die Einsatzkräfte können somit die Übung anpassen und erlernen, ob ihre Vorgehensweise auch patientengerecht bzw. -schonend ist. 

Nachteil Übung mit Menschen
Der größte und gewichtigste Grund der gegen eine Übung mit realen Menschen spricht ist, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einem Fehler die Person schwer zu verletzten hoch ist. Gerade bei Übungen mit Leitern kann die Fallhöhe hoch sein. Dadurch, dass die Personen auf der Trage fixiert sind, ist ihnen die Möglichkeit genommen, abwehrend bzw. schützend eingreifen zu können. Ebenso können Übungen, bei denen die Darstellenden keine Möglichkeit zum Eingreifen haben und sich nicht selbst schützen können, psychisch belastend sein. 

Wird Nebel oder echter Rauch verwendet, besteht die Gefahr der Atemwegsreizung sowie Stolper-, Sturz- und Rutschgefahr durch schlechte Sicht. Werden Rauchkörper oder Knallkörper verwendet, dürfen nur zugelassene Rauch- und Knallkörper verwendet werden. Rauchkörper aus ehemaligen Bundeswehrbeständen oder alte Seenotrauchkörper sind nicht erlaubt. 

Es muss daher immer im Vorwege einer Übung gefragt werden, ob das Übungsziel nicht auch mit anderen Mitteln wie z.B. dem Verwenden von Puppen und Dummys erreicht werden kann? Gerade für Rettungs- und Selbstrettungsübungen gibt es aufgrund von in der Vergangenheit passierter Unfälle eine klare Aussage in der Regel zur DGUV V 49 (Unfallverhütungsvorschrift „Feuerwehren“)

§ 20 Rettungs- und Selbstrettungsübungen aus Höhen und Tiefen 

  1. Rettungs- und Selbstrettungsübungen aus Höhen und Tiefen sind so durchzuführen, dass Feuerwehrangehörige nicht gefährdet werden. Hierzu dient z.B., dass 
  • bei Rettungsübungen aus Höhen oder Tiefen keine Personen auf Tragen eingesetzt werden. 

Fazit
Übungen müssen, wie Einsätze auch, so durchgeführt werden, dass die Gefährdung der Feuerwehrangehörigen ausgeschlossen werden kann. Wird mit realem Feuer oder in Abbruchhäusern geübt, müssen die entsprechenden Gefährdungen ermittelt und die Einsatzkräfte, aber auch die Darstellenden geschützt werden. Es ist daher genau zu prüfen, ob das Übungsziel nicht auch mit einer Puppe oder Dummy erreicht werden kann. In der Regel überwiegen die Risiken den Vorteilen. Ist das der Fall, muss eine Puppe oder ein Dummy verwendet werden. Werden Menschen eingesetzt, muss sehr konzentriert und korrekt gearbeitet werden. Eine redundante Sicherung ist hier obligatorisch. Bei Rettungsübungen aus Höhen und Tiefen sind Personen auf den Tragen nicht erlaubt.

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Mehr Informationen und Arbeitshilfen zum sicheren Gestalten von Übungen gibt es z.B. in unseren Medienpaketen "Die sichere Heißausbildung" und "Sicherer Übungs- und Schulungsdienst".

Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK Nord)

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