13.10.2025
Svenja Bertschat ist Feuerwehrfrau mit Leib und Seele. Im Sommer 2018 verunglückte sie mit einem Löschfahrzeug auf der Alarmfahrt zu einem Einsatz schwer. Es gab mehrere verletzte Kameradinnen und Kameraden, darunter Svenja Bertschat. Trotz schwerer Verletzungen kämpfte sie sich zurück ins Leben, den Beruf und das Ehrenamt Feuerwehr. Wir haben mit Svenja Bertschat über ihren Unfall und ihren Weg danach gesprochen.
Svenja Bertschat ist Feuerwehrfrau mit Leib und Seele. Im Sommer 2018 verunglückte sie mit einem Löschfahrzeug auf der Alarmfahrt zu einem Einsatz schwer. Es gab mehrere verletzte Kameradinnen und Kameraden, darunter Svenja Bertschat. Trotz schwerer Verletzungen kämpfte sie sich zurück ins Leben, den Beruf und das Ehrenamt Feuerwehr. Heute ist sie Wehrführerin der 134-köpfigen Truppe der Freiwilligen Feuerwehr Heiligenhafen, davon 84 aktive Feuerwehrangehörige. Wir haben Svenja Bertschat am Feuerwehrhaus der Ostseestadt getroffen und mit ihr über ihren Unfall und ihren Weg danach gesprochen. (Dieser Artikel ist zuerst erschienen als Titelbeitrag unserer Schrift „FUK-Dialog“, Ausgabe 2/2025.)
Heiligenhafen liegt in Schleswig-Holstein direkt am Meer. Die Feuerwehr verfügt über 13 Fahrzeuge, rückt im Schnitt 240-mal im Jahr aus und sie hat seit April 2023 eine Wehrführerin – Svenja Bertschat. „Ohne meinen Unfall wäre ich nicht Wehrführerin geworden“, sagt sie selbst über ihre Funktion. Doch es war kein einfacher Weg nach dem schweren Feuerwehr-Unfall im Jahr 2018, den Svenja Bertschat zu bewältigen hatte.
Berufliche Reha als besondere
Herausforderung
Eine besondere Herausforderung
war neben der medizinischen
Heilbehandlung die berufliche
Rehabilitation. Nachdem alle
Heilbehandlungsmaßnahmen
abgeschlossen waren, war es
nicht möglich, dass Svenja Bertschat ihre berufliche Tätigkeit in
der Pflege wie vor dem Unfall fortführen konnte. Welche Leistungen zur Rehabilitation nach diesem Unfall durch die Feuerwehr-Unfallkasse erbracht wurden,
wird später in diesem Beitrag
erläutert. An dieser Stelle möchten wir aus der Praxis berichten
und haben mit Svenja Bertschat
gesprochen. In einem Interview
mit dem FUK-Dialog berichtet sie
über ihre Erfahrungen.
Frau Bertschat, hatten Sie vor
Ihrem schweren Unfall auf
irgendeine Art und Weise schon
mal Berührung mit der Feuerwehr-Unfallkasse – kannten Sie
die FUK überhaupt?
Ja. Die FUK war mir bekannt. Ein
Kollege der Präventionsabteilung
war zur Besichtigung des Feuerwehrhauses schon bei uns in Heiligenhafen vor Ort und wir haben
auch eine Versichertenkarte (1)
erhalten.
Mal abgesehen von der Feuerwehr – wie sah Ihr Alltag vor Ihrem
Unfall im Feuerwehrdienst aus?
Mein Mann und ich haben zwei
Söhne. Die Feuerwehr spielte in
unserem Leben eine große Rolle.
Unsere Söhne wurden schon im
Kinderwagen mit zum Feuerwehrdienst genommen. Gearbeitet
habe ich in einer Klinik und als
Nebentätigkeit bei einem Pflegedienst hier vor Ort. Ich hatte aber
schon gekündigt, denn am 1.
August 2018 wollte ich beruflich
in der Diakonie neu durchstarten.
Unfalltag war der 30.07.2018. Vor
der Alarmierung, was haben Sie
da gemacht?
Ich hatte gerade meinen letzten
Nachtdienst in der Klinik hinter
mir. Kurze Zeit später kam die
Alarmierung.
Sie saßen im Einsatzfahrzeug.
Das Fahrzeug war mit Sondersignal auf der Fahrt zum Einsatzort. Können Sie sich an den
Unfallhergang erinnern?
Alles, was ich über den Unfall
weiß, ist aus den Erzählungen der
anderen. Unser Löschgruppenfahrzeug stürzte nach einem
Zusammenprall mit einem PKW
auf die Seite. Eigene Erinnerungen
daran habe ich nicht.
Wann haben Sie das erste Mal
realisiert, dass Sie schwer verletzt sind?
Noch am selben Abend, in der
Uniklinik Lübeck, wusste ich, was
los war. Aber bis ich alles vollständig realisiert hatte, ist wohl eine
Woche vergangen.
Welche Gedanken gingen Ihnen
durch den Kopf?
Ich kann Arme und Beine noch
bewegen. Das war wichtig und
hat mich beruhigt.
Um die Kinder musste ich mir keine
Sorgen machen. Mein Mann hat
einen verständnisvollen Arbeitgeber, der ihn freistellte, obwohl
auch er erst vor vier Wochen dort
angefangen hatte. Auch die Familie, Freunde und Nachbarn haben
uns unterstützt. Die Feuerwehrkameradinnen und -kameraden
waren auch für mich da.
Ich brauchte mir während der ganzen Zeit keine Gedanken machen und konnte mich voll auf die Genesung konzentrieren. Wir haben von allen Seiten große Unterstützung erhalten.
Wie wurden Sie medizinisch versorgt?
Nach der Akutversorgung einschließlich OP in Lübeck, kam ich
ins BG-Unfallkrankenhaus nach
Hamburg. Hier wurde ich dann
noch dreimal operiert. Im Rahmen der stationären Behandlung
wurde auch eine KSR (komplexe
stationäre Rehabilitation (2)) durchgeführt.
Der Unfall ereignete sich am
30.07.2018. Am 01.08.2018
wollten Sie eine neue Arbeitsstelle antreten. Auch wenn ein Unfall
zu jedem Zeitpunkt schlecht ist,
in diesem Fall hätte der Zeitpunkt
nicht schlechter sein können.
Welche Befürchtungen hatten Sie
und konnten Ihnen diese Befürchtungen genommen werden?
Meine Hand wird nicht wieder voll
einsetzbar sein, das stand ziemlich schnell fest, auch wenn das
Ausmaß der Verletzungsfolgen
noch nicht absehbar war. Alles
andere wird wieder. Damit stand
aber auch fest, dass ich meinen
neuen Job bei der Diakonie erst
gar nicht antreten kann.
Das klingt ja gar nicht gut. Haben Sie da nicht Angst vor der Zukunft
bekommen?
So schnell lass ich mich nicht unterkriegen. Auf der Reha-Station habe ich
Menschen gesehen, die waren viel schlimmer dran. Außerdem bekam ich von allen
Seiten Hilfe und Unterstützung. Die Feuerwehr-Unfallkasse hat sich oft bei mir
gemeldet. Ich konnte mich auch jederzeit dort melden, wenn ich Fragen hatte.
Selbst die Diakonie, bei der ich meine Arbeit gar nicht mehr antreten konnte,
hat mich unterstützt.
Sie haben eine Umschulung zur Leiterin einer Pflegeeinheit gemacht. Wie
kam es dazu?
Schwere körperliche Arbeit, wie sie im Pflegedienst üblich ist, war mit meiner
Hand nicht mehr möglich. Schon in der Arbeitstherapie im Unfallkrankenhaus in
Hamburg haben wir uns Gedanken gemacht, welche Tätigkeiten für mich noch in
Frage kommen. Der Berufshelfer der HFUK Nord, Martin Bekeschus, hatte
frühzeitig Kontakt mit mir aufgenommen, so dass ich wusste, es geht auch
beruflich weiter.
Die Inhaberin des Pflegedienstes „Die Biene“ wollte expandieren. Wir kannten
uns auch schon von meiner Nebentätigkeit. Als sie von meiner Misere hörte,
wollte sie mich unterstützen und schuf eine neue Stelle. Dazu musste ich mich
aber noch qualifizieren. Herr Bekeschus sagte dann: „Kein Problem, ich kümmere
mich drum“. Und so war es auch. Ich machte berufsbegleitend eine zweijährige
Fortbildung als Assistenz zur Pflegedienstleitung. Das ist nun mein Job und er
macht mir Spaß. Ich bin zwar nicht mehr direkt in der Pflege tätig, aber sehr
nahe dran.
Sie sind Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr Heiligenhafen. Wie
eingangs geschildert, sind Sie Feuerwehrfrau mit Leib und Seele. Aber der
aktive Feuerwehrdienst ist insbesondere auch körperlich sehr fordernd. Wie ging
es hier weiter?
Vor dem Unfall war ich Einsatzkraft, als Atemschutzgeräteträgerin und allem
Drum und Dran. Das war mit meiner Verletzung nicht mehr möglich. Als in unserer
Wehr eine neue Wehrführung gesucht wurde, wurde ich gefragt, ob das nicht was
für mich wäre.
Naja, das ist schon ein großer Schritt. Außerdem benötigt man
dafür auch eine weiterführende Qualifizierung. Große Bedenken hatte ich bei der
praktischen Ausbildung, denn eigentlich kann man die mit meiner verletzten Hand
gar nicht machen. Aber auch hier wurde ich nicht alleine gelassen. Der
Kreiswehrführer, Michael Hasselmann, hat sich an der Landesfeuerwehrschule
Schleswig-Holstein dafür eingesetzt, dass ich trotz meiner Verletzung für den
Lehrgang zugelassen wurde. Das Ergebnis kennen Sie, ich bin seit 1. April 2023
Wehrführerin.
So im Rückblick auf Ihren Unfall, was können Sie aus heutiger Sicht dazu
sagen?
Der Unfall war wirklich ein einschneidendes Ereignis in meinem Leben. Es ist
nicht so einfach, damit fertig zu werden. Trotzdem habe ich nie den Mut
verloren. Denn ich hatte Hilfe und Unterstützung und zwar von allen Seiten.
Freunde, Familie, alte und neue Arbeitgeber, insbesondere die Kameradinnen und
Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Heiligenhafen, der Kreiswehrführer, die
Landesfeuerwehrschule, alle waren für mich da. Natürlich war die qualitativ
hochwertige medizinische Versorgung im Unfallkrankenhaus ausschlaggebend dafür,
dass fast alle Unfallfolgen vollständig ausgeheilt sind. Nicht zuletzt hat auch
die Feuerwehr-Unfallkasse alles dafür getan, dass ich heute da bin, wo ich bin.
Sie hat dafür gesorgt, dass ich keine finanziellen Einbußen hatte. Hat mich
während der medizinischen Reha eng begleitet. Auf alle Fragen gab es schnell eine
Rückmeldung. Durch die Berufshilfe der HFUK Nord war es möglich, dass ich mich
sogar beruflich qualifizieren konnte. Abgesehen vom Unfall selbst, besser hätte
es nicht laufen können.
Frau Bertschat, wir danken Ihnen, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Spaß bei Ihrer beruflichen Tätigkeit, viel Erfolg als Wehrführerin einer so großen freiwilligen Feuerwehr und natürlich auch im privaten Leben.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen im FUK-Dialog, Ausgabe 2/2025.
Arbeitsunfälle sind trotz aller Präventionsmaßnahmen nicht immer zu verhindern, das gilt auch für den Feuerwehrdienst. Zum Glück sind es oft Fälle, die keine dauerhaften Folgen hinterlassen, und nach der Heilbehandlung ist alles wie vor dem Unfall.
Bei schweren Unfällen kann es trotz aller Bemühungen sein, dass ein Dauerschaden verbleibt, der Auswirkungen auf den persönlichen oder den Arbeitsalltag hat. Für diese Fälle gibt es bei den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern mit den Reha-Managerinnen und -Managern sowie den Berufshelferinnen und Berufshelfern speziell qualifizierte Menschen, die den Versicherten eng zur Seite stehen und gemeinsam nach Möglichkeiten und Lösungen suchen, so dass eine berufliche Tätigkeit wieder ausgeübt werden kann.
Grundsätzlich gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung, dass die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen ist (§ 1, Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB 7)). Weiterführende Leistungen können im Rahmen der Teilhabe erbracht werden. Die §§ 35 bis 44 bilden die Grundlage für die Berufshilfe und das Reha-Management.
Berufliche Teilhabe
Die gesetzliche Unfallversicherung unterstützt die berufliche Teilhabe beispielsweise durch Maßnahmen zur Berufsfindung, Arbeitserprobung, berufliche Bildungsmaßnahmen und Eingliederungszuschüsse sowie die Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz.
Ganzheitliche Rehabilitation
Die gesetzliche Unfallversicherung verfolgt eine ganzheitliche Rehabilitation, die nicht nur die medizinische Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfasst, sondern auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Diese Leistungen zur sozialen Teilhabe tragen dazu bei, Menschen, die durch Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten beeinträchtigt sind, bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu unterstützen. Dazu gehören beispielsweise Kraftfahrzeughilfe, Wohnungshilfe, Rehabilitationssport, Unterstützung durch Peers, nachgehende Betreuung und Erholungsaufenthalte.
Für ausführliche Informationen gibt es den Handlungsleitfaden „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der gesetzlichen Unfallversicherung“.
Reha-Manager und Berufshelfer der gesetzlichen Unfallversicherungsträger unterstützen die Versicherten aktiv bei ihrer medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation. Berufshelfer sind für die Planung, Koordinierung und Begleitung der Rehabilitation und aller Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft zuständig, die nach einem Unfallversicherungsfall notwendig sind.
Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK Nord)
Kontakt und Ansprechpersonen
Email: infobreak@hfuk-nord.de
Zentrale Postadresse: Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord
Bertha-von-Suttner-Straße 5
19061 Schwerin
Institutionskennzeichen: 121 390 059