21.09.2022
Mit den Stürmen Ylenia und Zeynep sind im Frühjahr 2022 zwei starke Unwetter in kurzer Zeit über das Geschäftsgebiet der HFUK Nord gezogen. Leider war bei beiden Stürmen ein entsprechendes Unfallgeschehen bei den beteiligten Einsatzkräften zu verzeichnen. Bevor die nächsten Herbststürme aufziehen, möchten wir die Gelegenheit nutzen, auf einige durch uns näher untersuchte Unfälle einzugehen und Möglichkeiten der Unfallverhütung aufzeigen.
Mit den Stürmen Ylenia und Zeynep sind im Frühjahr 2022 zwei starke Unwetter in kurzer Zeit über das Geschäftsgebiet der HFUK Nord gezogen. Die Feuerwehren mussten zu vielen witterungsbedingten Einsätzen ausrücken. Leider war bei beiden Stürmen ein entsprechendes Unfallgeschehen zu verzeichnen. Dabei kam es zum Teil zu typischen und vor allem vermeidbaren Unfällen, deren Folgen zwar glimpflich waren, die jedoch weitaus schlimmer hätten enden können. Bevor die nächsten Herbststürme aufziehen, möchten wir die Gelegenheit nutzen, auf einige durch uns näher untersuchte Unfälle einzugehen und Möglichkeiten der Unfallverhütung aufzeigen.
Insgesamt wurden der HFUK Nord nach den Stürmen Ylenia und Zeynep über 50 Unfälle gemeldet, die im Zusammenhang mit den witterungsbedingten Einsätzen stehen. Auf die Gesamtzahl der Unfälle über das Jahr bezogen, klingt das noch nicht viel, jedoch fielen diese Unfälle in einen kurzen Zeitraum und sind sich immer wieder ähnlich in ihren Abläufen.
Bei der Ausbildung für das Arbeiten mit der Motorkettensäge liegt ein starkes Augenmerk auf der Verhütung von Schnittverletzungen. Schnittverletzungen durch die Motorkettensäge haben in der Regel erhebliche Verletzungsfolgen, treten im Feuerwehrdienst aber recht selten auf. Gründe sind z.B. das konsequente Tragen der PSA und eine gute Ausbildung. Erheblich häufiger kommt es bei Sägeeinsätzen zu anderen Unfallabläufen. Um auf diese hinzuweisen, möchten wir hier ein paar Unfallschilderungen wiedergeben.
Durch die starken Windböen und aufgrund des aufgeweichten Bodens fiel eine ca. 15 Meter hohe Birke mit ca. 36-38 cm Stammdurchmesser um. Der Baum legte sich quer über einen Bach und verfing sich auf der anderen Seite in einer weiteren Birke, die sich in der Höhe von ca. 1,50 Metern Y-förmig in zwei Baumteile aufgabelte. Die umgestürzte Birke drohte im weiteren Verlauf in eine Überlandstromleitung und auf ein kleines Gebäude zu fallen.
Für die betroffene Feuerwehr war es einer von vielen Einsätzen in
zwei Tagen. Um zu verhindern, dass die Birke in die Oberleitung oder auf
das Gebäude fällt, sägte der Sägenführende zunächst den haltenden Stamm
der Y-Birke durch (Schnitt 1). Hierdurch sollte der die umgestürzte
große Birke haltende Stammteil herunterfallen und die große Birke
herunterrutschen. Entgegen der Erwartung stellte sich der abgesägte Teil
jedoch senkrecht auf. Die große Birke rutschte dennoch bis auf
Brusthöhe herunter.
Mit dem 2. Schnitt sägte der Sägenführende die große Birke auf
Höhe der Auflagefläche durch, so dass zwei Teile entstanden. Der untere
Teil der großen Birke fiel herunter und bildete eine Brücke über den
Bach. Der obere Teil enthielt die Krone von knapp 5 Metern Länge, 36 cm
Durchmesser und ca. 430 Kg Gewicht. Dieser Teil rutschte nicht herunter,
da sich die Krone zum Teil in weiteren Ästen verfangen hatte und auf
den eigenen Kronenästen stand.
Als der Sägenführende einen haltenden Ast
absägen wollte (Schnitt 3), verklemmte sich die Führungsschiene der
Motorkettensäge in dem unter Spannung stehenden Ast. Um die Säge wieder
frei zu bekommen, hatte der Sägenführende für solche Fälle immer eine
Handsäge (klappbarer Fuchsschwanz) dabei. Noch bevor er diese einsetzen
konnte, begab sich der später verunfallte Feuerwehrangehörige unter den
schon abgesägten, jedoch noch hängenden Kronenteil und versuchte diesen
in Schwingung zu versetzen, damit die Führungsschiene der
Motorkettensäge wieder freikommt.
Leider gelang die Aktion auch, so dass zwar die Säge wieder freikam, jedoch der Kronenteil vollständig herunterrutsche. Der Feuerwehrangehörige versuchte zwar noch, nach hinten auszuweichen, stolperte jedoch beim Rückwärtsgehen, fiel zu Boden und geriet unter den abgesägten, ca. 430 Kg schweren Baumteil. Glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass sich der Baumteil zusätzlich über andere abgesägte oder abgebrochene Äste legte, so dass die begrabene Einsatzkraft nicht schwer eingeklemmt wurde und lediglich Quetschungen des Rumpfes und eines Oberschenkels davontrug.
Im beschriebenen Fall kommen mehrere unfallauslösende und -begünstigende Bedingungen zusammen. Zunächst einmal war es der letzte einer größeren Zahl an Einsätzen für die betroffene Feuerwehr in zwei Tagen. Dadurch bedingt, entstand zum einen eine gewisse Routine, aber auch Nachlässigkeit. Darüber hinaus stand das Einsatzende kurz bevor und alle wollten eigentlich nur noch nach Hause. Als ein unfallbegünstigender Umstand kann also Nachlässigkeit durch Routine benannt werden. § 15 der UVV Feuerwehren fordert, dass im Feuerwehrdienst nur Maßnahmen getroffen werden dürfen, die ein sicheres Tätigwerden der Feuerwehrangehörigen ermöglichen. Hierbei sind die sich bei Einsätzen ständig ändernden Bedingungen zu berücksichtigen. Gerade bei so langandauernden Sturmeinsätzen muss daher geschaut werden, dass rechtzeitig eine Ablösung für die Einsatzkräfte eingeplant wird.
Ein
weiterer unfallbegünstigender Punkt war die fehlende Rückweiche. Bäume
unter Spannung können unvorhersehbar reagieren. Es ist daher wichtig,
immer eine sichere und stolperfreie Rückzugsmöglichkeit zu haben. Diese
war hier durch auf dem Boden liegende Äste nicht gegeben, so dass der
Feuerwehrangehörige beim Zurückgehen stolperte und fiel. Die
DGUV-Information 214-046 „Sichere Waldarbeiten“ führt hierzu unter 6.2.4
„Sicherer Stand, Rückweiche“ folgendes aus:
Es ist mindestens eine
hindernisfreie Fluchtmöglichkeit (Rückweiche) festzulegen oder zu
schaffen (z.B. Reisig, Steine beseitigen). Rückweichen sind in der Regel
schräg rückwärts und bis außerhalb der Kronenprojektionsfläche
anzulegen (Entfernung geht vor Richtung).
Der schwerwiegendste Punkt war
jedoch, dass sich der Feuerwehrangehörige in den Gefahrenbereich
begeben und versucht hatte, das ca. 430 Kg schwere Baumteil per Hand
aufzuschaukeln. Hierbei stand er genau dort, wo der Baum hinfallen
sollte. Das stellt ebenfalls einen Verstoß gegen § 15 „Verhalten im Feuerwehrdienst“ DGUV Vorschrift 49 (UVV "Feuerwehren") dar.
Die DGUV-Information 214-046 „Sichere Waldarbeiten"
gibt auch hier den Hinweis, auf das richtige Verhalten: Fallende Bäume
können andere Bäume mitreißen. Deshalb wird als Fallbereich in der Regel
die doppelte Baumlänge rundum angenommen. Hier dürfen sich nur die mit
dem Fällen des Baumes Beschäftigten aufhalten.
Ein
Feuerwehrangehöriger war eingeteilt, um abgesägte Äste abzunehmen
und stand einige Meter hinter dem Sägenführenden. Er hatte dabei das
Visier hochgeklappt. Bedingt durch den starken Wind flogen die Sägespäne
sehr weit und gerieten in die Augen des Feuerwehrangehörigen.
Auch hier kamen mehrere unfallbegünstigende Umstände zusammen. Die astabnehmende Einsatzkraft stand im Auswurfbereich der Säge und zu dicht hinter dem Sägenführenden. § 15 der UVV Feuerwehren fordert sicheres Tätigwerden. Dazu zählt, einen ausreichenden Sicherheitsabstand zur Gefahr einzuhalten. Ein Abstand von 2 Metern gilt hier als zweckmäßig.
Die
Späne flogen durch den starken Wind weiter als üblich. Im genannten Fall
wurde das Visier nicht heruntergeklappt. Hier hilft die beste PSA
nichts, wenn der Anwendende sie nicht nutzt. Die persönliche
Schutzausrüstung muss den entsprechenden Gefahren in Art und Anzahl
abgestimmt sein (siehe § 14 UVV Feuerwehren). Die Einsatzkräfte sind
jedoch ebenso verpflichtet, die PSA bestimmungsgemäß zu nutzen (siehe UVV Feuerwehren § 16 „Benutzung persönlicher Schutzausrüstung“ sowie UVV Grundsätze der Prävention § 30 Abs. 2).
Um
ähnliche Unfälle zu vermeiden, müssen die Feuerwehrangehörigen, die Äste
abnehmen, einen ausreichenden Abstand zur Motorkettensäge haben und
immer das Visier heruntergeklappt lassen. Zusätzliche Schutzbrillen
können die Sicherheit noch weiter erhöhen. Diese müssen allerdings in
Kombination mit dem Helm und ggf. auch bei der Verwendung von Sehhilfen
passen und dürfen nicht beschlagen.
Wie im ersten Fall
berichtet, können abgesägte Baumteile ein hohes Gewicht haben. Es ist
zwar nicht die Aufgabe der Feuerwehr, die Bäume in „ofengerechte“ Stücke
zu zersägen, jedoch müssen die Stücke so klein sein, dass sie gut zu
handhaben sind. Im vorliegenden Fall versuchte eine Kameradin, ein Stück
anzuheben und verspürte kurz nach dem Anheben einen stechenden Schmerz
im Rücken.
Unfallbegünstigend bzw. Unfallursache war hier das hohe
Gewicht des Baumstücks sowie das falsche Anheben. In weiteren ähnlichen
Unfallschilderungen kam hinzu, dass die Baumstücke aufgrund der Nässe
der Baumoberfläche nicht richtig gegriffen werden konnten und die
Einsatzkräfte sich beim Nachfassen verhoben haben. Die Folge waren
Schmerzen und Schäden an Rücken oder Schultern.
Für die Prävention kann
man hier festhalten, dass die abgesägten Baumstücke nur so groß sein
sollen, dass sie ohne Probleme angehoben und transportiert werden
können. Darüber hinaus müssen die tragenden Personen immer darauf
achten, die Baumstücke so sicher anzufassen und zu halten, dass sie
nicht herunterfallen.
Durch Sturm umgestürzte oder hängende Bäume stehen häufig unter
Spannung. Das gilt für den Stamm, wie auch für die Äste. Als der
Sägenführende an einem Ast sägte, schlug dieser plötzlich um und ihm auf
die Hand. Die Folge war eine Prellung des Handrückens.
Eine genaue
Beurteilung der Spannungsverhältnisse des Baumes und der Äste ist hier
im Vorwege des Einsatzes der Motorkettensäge notwendig. Weiterführende
Informationen zur Beurteilung von Bäumen und der richtigen Sägetechniken
gibt die DGUV Information 214-046 „Sichere Waldarbeiten“.
Ergänzend zum geschilderten Unfallgeschehen muss auch auf die Vielzahl
an Stolper-, Sturz- und Rutschunfällen (SRS) eingegangen werden. Bedingt
durch unebene Oberflächen auf Freiflächen, im Weg liegende Äste sowie
die Feuchtigkeit des Bodens kam es zu etlichen Unfällen, bei denen die
Einsatzkräfte ausgerutscht sind. Diese Unfälle führten zu verdrehten
Knien, verletzten Sprung- und Handgelenken, Prellungen am Brustkorb
sowie in einem Fall zu einem gebrochenen Ellenbogen.
Insgesamt kommen als Ursachen für das
Unfallgeschehen vor allem in Betracht:
Zu den beschriebenen Unfällen bei
Motorsägearbeiten kam es zu anderen Unfällen, die ebenfalls im
Zusammenhang mit den Stürmen standen. So wurden beispielsweise einige
Einsatzkräfte von Türen, die durch den starken Wind plötzlich auf- oder
zuwehten, getroffen oder haben sich die Finger geklemmt.
Zunächst einmal steht bei
jedem Einsatz die Frage im Raum, ob eine Zuständigkeit der Feuerwehr
überhaupt vorliegt. Nicht jeder schief hängende Ast oder umgestürzte
Baum stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die öffentliche
Sicherheit dar. Die Brandschutzgesetze der Länder legen die
Zuständigkeiten der Feuerwehren fest. Üblicherweise darf nur zur
Beseitigung akuter Gefahren durch die Feuerwehren eingegriffen werden.
Gerade Motorsägeneinsätze bei Unwettern gehören zu den besonders
gefährlichen und unfallträchtigen Tätigkeiten. Man muss sich hierbei
deutlich vor Augen halten, dass die Feuerwehren zum Sägen herausfahren,
wenn professionelle Anwender wie z.B. Forstwirte oder
Garten-Landschaftsbauer und Baumpfleger aufgrund zu hoher Gefahren nicht
mehr arbeiten dürfen. Geht von einem Baum keine akute Gefahr aus, kann
die Arbeit später durch Fachfirmen erledigt werden.
Ist die
Feuerwehr zuständig, gilt es zunächst - wie immer im Einsatzfall - ruhig und
besonnen zu arbeiten. Neben der Erkundung der Lage und der Gefahren ist
das Festlegen des Absperrbereichs sehr wichtig. Bei noch stehenden
Bäumen ist dies mindestens die doppelte Baumlänge. Im Gefahrenbereich
dürfen nur so viele Einsatzkräfte wie nötig und aber so wenige wie
möglich tätig sein.
Nur eine geeignete, vollständig vorhandene und
korrekt getragene PSA kann schützen. Das gilt insbesondere für den
Sägenführenden, jedoch auch für alle weiteren Einsatzkräfte. Immer wieder
ist zu beobachten, wie sich weitere Einsatzkräfte dicht am
Sägenführenden und somit auch zu nah an der Säge aufhalten, um z.B.
abgesägte Äste abzunehmen. Der Sägenführende ist durch Gehör-,
Gesichts- und Schnittschutz geschützt. Die anderen Feuerwehrangehörigen
sind es jedoch in der Regel nicht. Der Lärm der Sägen ist auf Dauer
schädigend. Von daher müssen auch die Feuerwehrangehörigen in der
näheren Umgebung geschützt werden. Gehörschützer sind hierbei jedoch
unpraktisch, da Befehle und Absprachen schlecht wahrgenommen werden.
Besser ist es hier, Abstand zu halten und die abgesägten Äste erst
wegzutragen, wenn die Säge weit genug entfernt oder ausgeschaltet ist.
Um die Augen zu schützen, müssen bei Bedarf auch die
Feuerwehrangehörigen über ein Gesichtsschutzvisier verfügen und dieses
verwenden, die z.B. Äste abnehmen.
Der Sägenführende selbst muss einen
Forstarbeiterhelm mit Gehör- und Gesichtsschutz, eine rundumlaufende
Schnittschutzhose Form C, Handschuhe für die technische Hilfeleistung
sowie Sicherheitsschuhwerk tragen. Für kurzzeitige Sägeeinsätze zur
Gefahrenbeseitigung kann das Feuerwehrsicherheitsschuhwerk getragen
werden. Mittlerweile bietet der Fachhandel auch Schnittschutzgamaschen
als Fußschutz an.
Zwar keine Pflicht, jedoch empfehlenswert, ist die
Verwendung heller Schnittschutzkleidung. Somit wird die Sichtbarkeit
erhöht.
Neben der persönlichen Schutzausrüstung kommt es darüber hinaus auf sicheres und geeignetes Werkzeug an. Werden zum Beispiel Motorkettensägen von den Einsatzkräften privat mitgebracht, muss sich die Einsatzleitung über den korrekten sicherheitstechnischen Stand der Sägen überzeugen. Gleiches gilt z.B. für privat mitgebrachte Schnittschutzkleidung.
Soll an einem
Baum gearbeitet werden, der gerade noch steht, bereits liegt oder hängt,
muss sich der Sägenführende diesen genau anschauen und beurteilen. Die
im Baum auftretenden Spannungen aber auch die Umgebung sind bei der
Beurteilung besonders wichtig. Können beispielsweise weitere noch lose
Äste oder gar ganze Bäume fallen? Im Zweifel muss der Bereich gesperrt
werden und es darf erst bei Windstille gearbeitet werden.
Sind die Zug- und Druckzonen bekannt und kann ausgeschlossen
werden, dass weitere Äste oder Bäume fallen, kann mit den Sägearbeiten
begonnen werden. Wichtig ist hierbei ein sicherer Stand. Das Sägen von
Leitern ist in höchstem Maße gefährlich. In der Vergangenheit kam es
dabei zu tödlichen Unfällen.
Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK Nord)
Kontakt und Ansprechpersonen
Email: infobreak@hfuk-nord.de
Zentrale Postadresse: Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord
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