14.07.2022
Die Freiwillige Feuerwehr der Barlachstadt Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) hat ihr Konzept zur Wald- und Flächenbrandbekämpfung überarbeitet und neue persönliche Schutzausrüstungen (PSA) für diesen besonderen Einsatzzweck beschafft. Im Interview erläutert der Güstrower Wehrführer Stephan Hagemann die Beweggründe für das neue Konzept, den Weg vom Problem bis zur Lösung und die bisher gesammelten Erfahrungen mit der neuen PSA.
Die Freiwillige Feuerwehr der Barlachstadt Güstrow
(Mecklenburg-Vorpommern) hat 2019/20 ihr Konzept zur Wald- und
Flächenbrandbekämpfung überarbeitet und neue persönliche
Schutzausrüstungen (PSA) für diesen besonderen Einsatzzweck beschafft.
Die PSA stellt eine Ergänzung der bisherigen Schutzkleidung für die
Brandbekämpfung in geschlossenen Räumen dar und ersetzt ältere
Schutzkleidung für die Technische Hilfe und die Brandbekämpfung im
Freien, welche in vielerlei Hinsicht nicht mehr den heutigen
Anforderungen genügte.
Im 2. Teil unserer Mini-Serie "Sicherer Feuerwehrdienst im Sommer" erläutert der Güstrower Wehrführer Stephan Hagemann die Beweggründe für das neue Konzept, den Weg vom Problem bis zur Lösung und die bisher gesammelten Erfahrungen mit der neuen PSA.
Herr Hagemann, was und wann war der Auslöser, dass sich die
FF Güstrow Gedanken über die bisherige Vorgehensweise, Ausrüstung und
PSA zu Vegetationsbränden gemacht hat?
Der entscheidende Einsatz, der jedoch im Endeffekt zur Erstellung des Konzeptes geführt hat, war ein größerer Waldbrand 2019 in der Gemeinde Krakow am See. Auf ca. 5 Hektar brannte nicht nur der Wald, das Feuer fraß sich auch in den Waldboden bzw. in die Humusschicht hinein. Für die Einsatzkräfte bedeutet das, bei hohen Temperaturen über einen langen Zeitraum schwere körperliche Arbeit zu verrichten, was durch die vorhandene Schutzausrüstung erschwert wurde. Aufgrund der Risiken durch Feuer, Sonne, Insekten und möglicherweise herabfallende Äste konnte die PSA nicht abgelegt werden bzw. zum Schutz vor der Luftverunreinigung bzw. Staubbelastung fehlte geeignete PSA. Der Einsatz verdeutlichte die Probleme hinsichtlich Ausrüstung und PSA.
Zur Auswertung des Einsatzes setzte sich der hauptamtliche Gerätewart und gleichzeitig Sicherheitsbeauftragte der FF Güstrow, Matthias Klich, hin, schrieb die erkannten Defizite auf und übergab den niedergeschriebenen Konzeptvorschlag der Wehrführung.Nun erkennen Feuerwehren häufig Verbesserungsbedarf nach
Einsätzen. Oftmals verlaufen die Erkenntnisse jedoch dann im Sande und
man sucht keine Lösungen für die erkannten Probleme. Was war hier
anders?
Für uns war klar, dass wir tätig werden mussten. Gerade die
gesundheitlichen Gefahren waren nicht von der Hand zu weisen. So war
z.B. eines der größten Probleme die Trinkwasserzufuhr. Die Einsatzkräfte
waren teilweise weit von den Einsatzfahrzeugen entfernt und konnten
sich nicht mal eben etwas zu trinken holen. So entstand zum Beispiel die
Idee, Taschen mit Gürteln für Wasserflaschen zu beschaffen.
Wie ging die Feuerwehr genau vor?
Wie häufig üblich, haben wir zunächst eine Arbeitsgruppe gebildet.
Uns war wichtig, dass alle Aspekte bedacht und sämtliche
Dienstgradebenen vertreten sind, um allen die Chance zu bieten, sich zu
beteiligen. Wir haben zunächst aufgeschrieben, was wir haben,
beziehungsweise wo wir stehen. Hier wurden auch die im Einsatz in Krakow
am See erkannten Defizite einbezogen. Im nächsten Schritt haben wir
definiert, wo wir hinwollen. Nur so kann ein Abgleich zwischen dem Soll
und der Ist-Situation erfolgen.
Welche Erkenntnisse hatte die Arbeitsgruppe hinsichtlich der PSA?
Vorangegangene Einsätze zeigten, dass unsere für den Innenangriff
vorhandene PSA für die Vegetationsbrandbekämpfung bei sommerlichen
Temperaturen ungeeignet war. Die Einsatzkräfte klagten immer wieder über
schnelle Erschöpfung. Hinzu kamen Augen- und Atemwegsreizungen, wenn
kein Pressluftatmer mit Maske getragen wurde, was für die meisten
Einsätze auch überzogen gewesen wäre.
Darüber hinaus verfügte unsere leichte PSA, die überwiegend für die
Technische Hilfeleistung getragen wurde, nicht über Reflexbestreifung,
was absolut negativ für die Sichtbarkeit war, und hatte keine
ausreichende Atmungsaktivität, was zum Ablegen der Jacke verleitete.
Zudem verschliss sie auch sehr schnell. Die Anforderung an eine neue PSA
war also, dass sie leicht, atmungsaktiv, gut sichtbar für
Vegetationsbrandeinsätze und für Technische Hilfeleistungseinsätze
geeignet ist. Sie sollte als leichte Schutzkleidung möglichst
multifunktionell nutzbar sein.
Um einen Marktvergleich starten zu können, haben wir dann ein Anforderungsprofil und eine Gefährdungsbeurteilung erstellt.
Wie lief dann der Auswahlprozess?
Mit der Jacke war es dann aber nicht getan?
Nein. Wie wir ebenfalls festgestellt haben, wurden die schweren Helme
bei längeren Einsätzen als belastend empfunden. Hinzu kamen die
Probleme der Augen- und Atemwegsreizungen. Wir haben daher auch hier
nach Lösungen gesucht. Nun muss man allerdings sagen, dass längere
Vegetationsbrandeinsätze wahrscheinlich in der Zukunft zwar häufiger
vorkommen werden, jedoch muss jede finanzielle Ausgabe gerechtfertigt
sein. Da es sich hier um einen Helm für eine spezielle Einsatzlage
handelt, wäre bei über 80 Einsatzkräften ein zweiter Helm für alle
schwer zu vermitteln und zu begründen gewesen. Wir haben uns daher
entschieden, Helme für drei Staffeln zu beschaffen. Jeweils 6 Helme
liegen in den beiden Feuerwehrhäusern der Stadt auf Regalen neben den
Löschfahrzeugen und 6 weitere Helme wurden im Fahrzeugbelademodul
„Waldbrand“ verstaut.
In den Jahren 2020 und 2021 konnten wir die neue PSA und weitere speziell beschaffte Ausrüstungsgegenstände in mehreren Einsätzen testen. Man kann sagen, dass das Konzept durch die Ein- sätze eingeholt wurde. Da nicht gleich Hosen mitbeschafft wurden, holen wir dies sukzessive nach und statten die Einsatzkräfte weiter aus. Auch wenn diese PSA teurer ist als unsere bisherige Standard-PSA für die Technische Hilfe und die Brandbekämpfung im Freien, muss ich sagen, dass sie viele Vorteile für die Einsatzkräfte bringt und von diesen sehr gut angenommen wird. Sie hält erheblich länger, ist robuster und dadurch wirtschaftlicher. Der höhere Anschaffungspreis relativiert sich über die Zeit und ist über die gute Akzeptanz bei den Einsatzkräften und den damit verbunden höheren Schutz gerechtfertigt.
Durch die Brille und die Maske klagen die Einsatzkräfte nicht mehr über Augen- und Atemwegsreizungen. Die Jacke sowie die Hose sind mittlerweile in der Mannschaft akzeptiert und werden auch noch getragen, wenn Einsatzkräfte anderer Wehren ihre Jacken bereits abgelegt haben. So ist dank des geringen Gewichts und der guten Atmungsaktivität zu den normalen Schutzeigenschaften auch noch der oft bei solchen Einsätzen vernachlässigte Sonnenschutz gegeben.
Für uns hat sich die Beschaffung ausgezahlt.
Stephan Hagemann, geb. 1987, seit 1999 Mitglied der Jugendfeuerwehr und Freiwilligen Feuerwehr der Barlachstadt Güstrow. Wehrführer seit Oktober 2019, im Hauptberuf Sachgebietsleiter der unteren Denkmalschutzbehörde.
Informationen über die Freiwillige Feuerwehr Barlachstadt Güstrow: www.feuerwehr-guestrow.de
Weitere Informationen zur Auswahl geeigneter PSA gibt es in dieser Broschüre:
DGUV-Information 205-014 "Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung für Einsätze bei der Feuerwehr".
Diese gibt es kostenlos z.B. auf der Seite www.dguv.de unter dem Webcode p205014.
Weitere Informationen zum Thema „Vegetationsbrände“ finden Sie hier.
https://www.hfuknord.de/hfuk/aktuelles/das-aktuelle-thema/Die-Feuerwehr-im-Sommer.php
unter dem Punkt „Wetterbedingte Gefahren“.
Wir wünschen allen Feuerwehren einen möglichst unfallfreien Sommer!
Mit der Mini-Serie „Sicherer Feuerwehrdienst im Sommer“ möchten wir über besondere Gefahren und Risiken in der warmen Jahreszeit informieren und auf entsprechende Beitrage auf unserer Fachthemenseite „Die Feuerwehr im Sommer“ aufmerksam machen.
Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK Nord)
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