15.09.2020
Im letzten Jahr kam es im Tauschraum einer feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) zu einem Unfall mit einer Atemluftflasche. Hierbei wurde ein Feuerwehrangehöriger verletzt. Der Artikel erläutert den Unfallhergang und beschreibt Möglichkeiten, ähnliche Unfälle zu vermeiden.
Im letzten Jahr kam es im Tauschraum einer feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) zu einem Unfall mit einer Atemluftflasche. Hierbei wurde ein Feuerwehrangehöriger verletzt. Auch wenn Vorfälle mit Atemluftflaschen selten sind, so kann ein Unfall schwerwiegende Folgen haben. Der Artikel erläutert den Unfallhergang und beschreibt Möglichkeiten, ähnliche Unfälle zu vermeiden.
Nach einer Übung sollten im Tauschraum einer FTZ die Atemluftflaschen der Atemschutzgeräte getauscht werden. Das Prozedere hierfür ist folgendermaßen gedacht: Ein Atemschutzgerät wird auf einer Arbeitsfläche abgelegt und die Flasche demontiert. Die leere Flasche kommt dann in einen rechts neben der Arbeitsfläche stehenden Rollwagen. Links neben der Arbeitsfläche steht ein Rollwagen mit gefüllten Flaschen bereit.
Im vorliegenden Fall hatte der Feuerwehrangehörige die leere Flasche
bereits abgelegt, eine gefüllte Flasche aus dem Rollwagen entnommen und
auf das Atemschutzgerät gelegt. Er entfernte den Stopfen, um die Flasche
auf die Trägerplatte schrauben zu können. In dem Moment, als er die
Gewinde verbinden wollte, brach jedoch das Flaschenventil auf Höhe der
Druckentlastungsbohrung im Gewinde und die Luft aus der Flasche entwich
schlagartig.
Die Flasche flog unkontrolliert durch den Raum, beschädigte
Schilder, eine Tür und traf einen weiteren Feuerwehrangehörigen am
Gesäß. Zum Glück wurde niemand schwer verletzt, wie es z.B. durch ein
Auftreffen der Flasche am Kopf eines Feuerwehrangehörigen geschehen
wäre.
Ableitungen für die Unfallverhütung
Der geschilderte Fall wurde im
Rahmen einer Unfalluntersuchung durch die HFUK Nord als zuständige
Feuerwehr-Unfallkasse gemeinsam mit den Beteiligten analysiert.
Im
vorliegenden Fall war das Flaschenventil an der Stelle der
Druckentlastungsbohrung im Gewinde vorgeschädigt. Die Entnahme der
Flasche aus dem Flaschenwagen bewirkte seitliche Kräfte auf das Ventil,
so dass dieses endgültig versagte. Aus der so entstandenen Öffnung
entwich nun die unter Druck stehende Atemluft und beschleunigte die
Atemluftflasche.
Zur Vermeidung von Arbeitsunfällen gibt es das
sogenannte TOP-Prinzip. Hiernach sind hierarchisch technische Lösungen
organisatorischen und personenbezogenen Lösungen vorzuziehen.
Um
Unfälle, wie beim geschilderten Fall, zu verhindern, bieten sich zwei
Lösungen an.
Die erstgenannte Lösung ist im organisatorischen bzw. persönlichen Lösungsansatz angesiedelt. Das Problem, was mit dieser Lösung einhergeht, ist offensichtlich. Alle Maßnahmen, die von Menschen oder menschlichem Handeln abhängen, beinhalten das „Restrisiko Mensch“. Sie funktionieren also nur solange, wie sich die Menschen an die Vorgaben halten:
1. Die Ventile von Atemluftflaschen sind stabil gebaut. Bekommen sie jedoch einen Schlag ab, so können sie brechen. Vornehmlich geschieht dies an der Druckentlastungsbohrung im Gewinde. Im beschriebenen Fall ist die Atemluftflasche vermutlich kurz zuvor heruntergefallen. Diese Vermutung lassen Spuren am Handrad und am Flaschenkragen zu.
Das eine Atemluftflasche herunterfällt, sollte nicht,
kann jedoch passieren. Kommt es zu einem Sturz und einer
Krafteinwirkung auf das Flaschenventil, so muss dieses gemeldet und die
Flasche einer Überprüfung zugeführt werden.
Diese Meldung ist im
vorliegenden Fall nicht erfolgt.
In der Ausbildung und auch regelmäßigen
Sicherheitsunterweisung muss also entsprechend darauf hingewiesen
werden, dass eine Krafteinwirkung auf das Flaschenventil bzw. mögliche
Schädigung zu melden ist.
Die zweite Lösung ist technischer Natur und somit sicherer.
2. Aufgrund der bisher geschehenen Unfälle haben die
Hersteller von Atemschutztechnik sogenannte Ausströmsicherungen
entwickelt. Die Ausströmsicherungen packen das Problem an der Wurzel und
verhindern technisch, dass große Mengen Luft durch die kleine
Flaschenöffnung unkontrolliert ausströmen können. Übersteigt der
Ausströmdruck das zugelassene Maß, wird die Öffnung verengt und die
Ausströmmenge begrenzt. Ein Wegfliegen der Flasche wird somit
verhindert.
Problem fehlerhafte Handhabung
Ein weiteres Problem, welches
des Öfteren für umherfliegende Atemluftflaschen sorgt, jedoch nicht im
technischen Versagen von Bauteilen liegt, ist die fehlerhafte
Handhabung. Immer wieder ist zu beobachten, dass bei der Entnahme
Atemluftflaschen mit einer Hand am Handrad und nicht am Ventilkörper
angehoben oder getragen werden. In der Vergangenheit kam es so zu
Vorfällen, bei denen durch die falsche Handhabung die Flaschenventile
unbeabsichtigt geöffnet wurden und die Flaschen umherflogen. Wird eine
Atemluftflasche mit einer Hand am Ventilkörper und mit der anderen Hand
am Flaschenkörper getragen, ist das versehentliche Öffnen des Handrades
weitestgehend ausgeschlossen.
Auch auf diese Gefährdung kann durch
persönliche / organisatorische Maßnahmen eingewirkt werden, indem z.B.
bei einer regelmäßigen Unterweisung auch die richtige Trageweise von
Atemluftflaschen vermittelt wird.
Aktuell hat die Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb) die Abströmsicherung mit in ihre Richtlinie vfdb RL 0810 Anhang 02 aufgenommen. Hier wird empfohlen, spätestens bei der nächsten Festigkeitsprüfung der Flaschen die Ventile auszutauschen.
Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK Nord)
Kontakt und Ansprechpersonen
Email: info@hfuk-nord.de
Zentrale Postadresse: Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord
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