Ventil abgebrochen: Atemluftflasche außer Kontrolle

15.09.2020

Im letzten Jahr kam es im Tauschraum einer feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) zu einem Unfall mit einer Atemluftflasche. Hierbei wurde ein Feuerwehrangehöriger verletzt. Der Artikel erläutert den Unfallhergang und beschreibt Möglichkeiten, ähnliche Unfälle zu vermeiden.

Bild: Christian Heinz / HFUK Nordzoom
Bild: Christian Heinz / HFUK Nord

Im letzten Jahr kam es im Tauschraum einer feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) zu einem Unfall mit einer Atemluftflasche. Hierbei wurde ein Feuerwehrangehöriger verletzt. Auch wenn Vorfälle mit Atemluftflaschen selten sind, so kann ein Unfall schwerwiegende Folgen haben. Der Artikel erläutert den Unfallhergang und beschreibt Möglichkeiten, ähnliche Unfälle zu vermeiden.

Nach einer Übung sollten im Tauschraum einer FTZ die Atemluftflaschen der Atemschutzgeräte getauscht werden. Das Prozedere hierfür ist folgendermaßen gedacht: Ein Atemschutzgerät wird auf einer Arbeitsfläche abgelegt und die Flasche demontiert. Die leere Flasche kommt dann in einen rechts neben der Arbeitsfläche stehenden Rollwagen. Links neben der Arbeitsfläche steht ein Rollwagen mit gefüllten Flaschen bereit.

Arbeitsfläche mit Rollwagen (Bild: Dirk Rixen / HFUK Nord)zoom
Arbeitsfläche mit Rollwagen (Bild: Dirk Rixen / HFUK Nord)

Im vorliegenden Fall hatte der Feuerwehrangehörige die leere Flasche bereits abgelegt, eine gefüllte Flasche aus dem Rollwagen entnommen und auf das Atemschutzgerät gelegt. Er entfernte den Stopfen, um die Flasche auf die Trägerplatte schrauben zu können. In dem Moment, als er die Gewinde verbinden wollte, brach jedoch das Flaschenventil auf Höhe der Druckentlastungsbohrung im Gewinde und die Luft aus der Flasche entwich schlagartig.

Die Flasche flog unkontrolliert durch den Raum, beschädigte Schilder, eine Tür und traf einen weiteren Feuerwehrangehörigen am Gesäß. Zum Glück wurde niemand schwer verletzt, wie es z.B. durch ein Auftreffen der Flasche am Kopf eines Feuerwehrangehörigen geschehen wäre.

Ableitungen für die Unfallverhütung
Der geschilderte Fall wurde im Rahmen einer Unfalluntersuchung durch die HFUK Nord als zuständige Feuerwehr-Unfallkasse gemeinsam mit den Beteiligten analysiert.

Im vorliegenden Fall war das Flaschenventil an der Stelle der Druckentlastungsbohrung im Gewinde vorgeschädigt. Die Entnahme der Flasche aus dem Flaschenwagen bewirkte seitliche Kräfte auf das Ventil, so dass dieses endgültig versagte. Aus der so entstandenen Öffnung entwich nun die unter Druck stehende Atemluft und beschleunigte die Atemluftflasche.

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gebrochenes Ventil (Bild Dirk Rixen / HFUK Nord)zoom
gebrochenes Ventil (Bild: Dirk Rixen / HFUK Nord)zoom
 

gebrochenes Ventil (Bilder: Dirk Rixen / HFUK Nord)

Zur Vermeidung von Arbeitsunfällen gibt es das sogenannte TOP-Prinzip. Hiernach sind hierarchisch technische Lösungen organisatorischen und personenbezogenen Lösungen vorzuziehen.

Um Unfälle, wie beim geschilderten Fall, zu verhindern, bieten sich zwei Lösungen an.

Die erstgenannte Lösung ist im organisatorischen bzw. persönlichen Lösungsansatz angesiedelt. Das Problem, was mit dieser Lösung einhergeht, ist offensichtlich. Alle Maßnahmen, die von Menschen oder menschlichem Handeln abhängen, beinhalten das „Restrisiko Mensch“. Sie funktionieren also nur solange, wie sich die Menschen an die Vorgaben halten:

1. Die Ventile von Atemluftflaschen sind stabil gebaut. Bekommen sie jedoch einen Schlag ab, so können sie brechen. Vornehmlich geschieht dies an der Druckentlastungsbohrung im Gewinde. Im beschriebenen Fall ist die Atemluftflasche vermutlich kurz zuvor heruntergefallen. Diese Vermutung lassen Spuren am Handrad und am Flaschenkragen zu.

Das eine Atemluftflasche herunterfällt, sollte nicht, kann jedoch passieren. Kommt es zu einem Sturz und einer Krafteinwirkung auf das Flaschenventil, so muss dieses gemeldet und die Flasche einer Überprüfung zugeführt werden.

Diese Meldung ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt.

In der Ausbildung und auch regelmäßigen Sicherheitsunterweisung muss also entsprechend darauf hingewiesen werden, dass eine Krafteinwirkung auf das Flaschenventil bzw. mögliche Schädigung zu melden ist.

Die zweite Lösung ist technischer Natur und somit sicherer.

2. Aufgrund der bisher geschehenen Unfälle haben die Hersteller von Atemschutztechnik sogenannte Ausströmsicherungen entwickelt. Die Ausströmsicherungen packen das Problem an der Wurzel und verhindern technisch, dass große Mengen Luft durch die kleine Flaschenöffnung unkontrolliert ausströmen können. Übersteigt der Ausströmdruck das zugelassene Maß, wird die Öffnung verengt und die Ausströmmenge begrenzt. Ein Wegfliegen der Flasche wird somit verhindert.

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Ventil intakt. Luft strömt normal aus. (Bild: VTI - Menden)zoom
Ventil intakt. Luft strömt normal aus. (Bild: VTI - Menden)
Ventil defekt. Die Ausströmöffnung wird verengt. (Bild: VTI - Menden)zoom
Ventil defekt. Die Ausströmöffnung wird verengt. (Bild: VTI - Menden)
 

Problem fehlerhafte Handhabung
Ein weiteres Problem, welches des Öfteren für umherfliegende Atemluftflaschen sorgt, jedoch nicht im technischen Versagen von Bauteilen liegt, ist die fehlerhafte Handhabung. Immer wieder ist zu beobachten, dass bei der Entnahme Atemluftflaschen mit einer Hand am Handrad und nicht am Ventilkörper angehoben oder getragen werden. In der Vergangenheit kam es so zu Vorfällen, bei denen durch die falsche Handhabung die Flaschenventile unbeabsichtigt geöffnet wurden und die Flaschen umherflogen. Wird eine Atemluftflasche mit einer Hand am Ventilkörper und mit der anderen Hand am Flaschenkörper getragen, ist das versehentliche Öffnen des Handrades weitestgehend ausgeschlossen.

Auch auf diese Gefährdung kann durch persönliche / organisatorische Maßnahmen eingewirkt werden, indem z.B. bei einer regelmäßigen Unterweisung auch die richtige Trageweise von Atemluftflaschen vermittelt wird.

Aktuell hat die Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb) die Abströmsicherung mit in ihre Richtlinie vfdb RL 0810 Anhang 02 aufgenommen. Hier wird empfohlen, spätestens bei der nächsten Festigkeitsprüfung der Flaschen die Ventile auszutauschen.

Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK Nord)

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